Geschmack & Bewertung

Damit ihr meine Beschreibungen, Kommentare und Bewertungen besser einordnen bzw. mit eurem Geschmack besser vergleichen könnt, möchte ich hier gerne ein bisschen über meinen Geschmack und mein Bewertungssystem sprechen.

Bewertungssystem

Angefangen hatte ich mit dem berühmten 100ter-System, was die meisten Blogger, YouTuber und Kritiker im Spirituosenbereich benutzen (wenn sie denn überhaupt nummerisch bewerten). Die Bewertung in einer Skala von 0-100 wurde einst in der Weinbranche mit Robert Parker „berühmt“. Da es einige Schwächen hat, wie z.B. eine Pseudo-Genauigkeit oder eine vorgetäuschte absolute Vergleichbarkeit, hatte ich mich nach ein paar Monaten entschieden zu einem stark vereinfachten 0-10-System zu wechseln mit dem Vorhaben die volle Skala zu benutzen. Irgendwie hatte ich damit aber Schwierigkeiten, da ich kein Gefühl für diese Skala hatte. Also verzichtete ich nun komplett auf eine nummerische Bewertung, um mir „das Leben einfacher zu machen“. Leider habe ich mit der Zeit gemerkt, dass es einfach auch Spaß macht - sowohl als Leser als auch als „Autor“ - eine Zahl am Ende einer Tastingnote zu haben.

...also bin ich doch wieder zurück zum guten alten 100ter-System. Es ist einfach so, dass ich und - so denke ich - die meisten anderen mittlerweile über die Jahre ein recht gutes Bauchgefühl für diese Skala entwickelt haben.

Niemand bewertet 100% objektiv und ich erst recht nicht, da ich kein professioneller Spirituosenkritiker o.ä. bin. Deshalb spiegelt meine Bewertung einfach nur wieder wie gut mir die jeweilige Spirituose gefallen hat. Den Preis versuche ich dabei so gut es geht zu ignorieren.

 0 -  69  Für mich nicht wirklich pur genießbar.
70 -  74  Grenzwertig.
75 -  79  Es wird langsam besser, aber es gibt noch ein paar Facetten, die mir gar nicht gefallen haben.
80 -  84  Absolut solide ohne störende Facetten. Beispielweise Glenfiddich 12.
85 -  89  Richtig gut. Beispielsweise Clynelish 14 oder Hampden 46% (als Original)
90 -  94  Ausnahmebereich. Ich versuche allerdings nicht allzu geizig mit der magischen 90 zu sein.
95 - 100  Reserviert für absolut einzigartige Erlebnisse.

Wie verkoste ich?

Regelmäßigen Lesern wird es natürlich schon aufgefallen sein. Der Durchsatz ist relativ hoch, d.h. es ist faktisch unmöglich, dass ich tage- und wochenlang eine Abfüllung genau verkoste. Ich habe mich - weil ich nun einfach sehr neugierig bin, was viele Abfüllungen betrifft - für das Modell „viele kleine Samples anstatt wenige große Flaschen“ entschieden. Meine Bewertungen beruhen also oft auf 2cl - 5cl einer Abfüllung (manchmal natürlich auch mehr). Wenn ich nur 2cl habe, ist es also nur ein erster Eindruck (der wohlgemerkt bei mir aber auch oft so bleibt). Wenn ich aber 5cl oder mehr zur Verfügung habe und ich beim ersten Mal feststelle, dass ich nicht so richtig warm werde, wird der ein paar Tage später wiederholt.
Ich versuche bei meinen Tastings soviel es geht parallel zu verkosten. Bei 1-2cl pro Glas sind da aber natürliche Grenzen gesetzt ;-) Bei mehr als 3 oder 4 Abfüllungen (je nach Stärke) teile ich das Tasting auf mehrere Tage auf und probiere wenn es geht ausgewählte Kandidaten separat nochmal parallel.

Geschmacksrichtungen, die ich eher NICHT mag

Geschmäcker sind verschieden; das weiss jeder. So kann es also oft sein, dass mir ein eigentlich toller Whisky oder Rum überhaupt nicht schmeckt. Das liegt dann meistens an folgenden Kriterien (eine Kombination daraus ist dann der absolute Killer):
  • stark sauer (Zitronen-, "Essig"- und Weißweinaromen)
  • stark bitter (heftige IPA-Biere z.B. mag ich auch nicht)
  • stark salzig
  • Gewisse Kräuter (Oregano, Rosmarin, Thymian, "Tanne" usw.. Eigentlich mag ich die, aber in Getränken will ich sowas i.d.R. nicht haben)
  • heftige Mentholnoten, die teilweise an Hustenbonbons o.ä. erinnern
  • medizinische Noten (s. Kräuter oder "Krankenhaus"-Torfrauch)
  • Schwefel mit Streichhölzern, faulen Eiern oder Pilzen
In Zusammenfassung gehören diese Aromen für mich zu den "hellen"/frischen und "pieksigen". Deswegen habe ich bisher z.B. bei einigen Port Mourant Rums (Guyana) so meine Schwierigkeiten gehabt oder bei Weinreifungen beim Whisky, die mir oft zu säuerliche Weinaromen haben.

Geschmacksrichtungen, die ich MAG

Folgende Aromen führen bei mir meinst schon automatisch schon zu einer besseren Bewertung:
  • "Schnüffel"-Aromen wie Teer, Gummi, Benzin, Motoröl, Lösungsmittel
  • Torfrauch in speckiger oder Kamin-/Lagerfeuerform
  • Vanille, Karamell, Zimt
  • überreife Birne, Äpfel
  • Plaumen, Kirschen
  • Orangenschale
  • tropische Früchte wie Mango, Ananas, Papaya, Banane
  • Nüsse, Marzipan
  • Schokolade, Kaffee
  • Leder
  • Süße (hier aber eine natürliche, dezente Süße. Keine nachträglich draufgeklatschte)
  • Minze (in Maßen)
Dieses Aromenspektrum gehört für mich zu der "dunklen", "schweren" und "warmen" Seite.