Sonntag, 20. Dezember 2020

Armagnac Aurian 1966 & 1979 (Wu Dram Clan)

Es geht mal wieder nach Frankreich in die Armagnac-Region. Irgendwie bekomme ich in der Weihnachtszeit immer Lust auf Armagnac und Cognac. Ich probiere heute zwei Abfüllungen des Armagnac-Hauses "Aurian", die speziell von und für "Wu Dram Clan" ausgesucht wurden. Ich denke jedem, der in den entsprechenden Spirituosengruppen auf Facebook unterwegs ist, ist der "Wu Dram Clan" ein Begriff und so möchte ich auch direkt in die Verkostung eintauchen...
Aurian 1979/2020
Abgefüllt für Wu Dram Clan, 49,6%
NASE: Mein erster Eindruck 5 Minuten nach dem Einschenken ist Caroni-Rum aus Trinidad! Viel Eiche, trocken und dreckig. Blind hätte ich vermutlich auf einen 1994er von Velier getippt. Ein herrlicher Mix aus Möbelpolitur, Holzlack und Tankstellenaromen schweben über einem dunklen Fundament von Kakao, Karamell, Marzipan und eingekochten Früchten wie Erdbeeren, Aprikosen und Mangos. Alles ist sehr intensiv, dunkel und einnehmend. Die dreckigen Komponenten lassen nach ca. 1 Stunde im Glas etwas nach und geben mehr Raum für die anderen Aromen, aber der Caroni-Eindruck bleibt dennoch. Tolle Nase! Holt mich total ab!

GAUMEN: Hier wird klar, dass es kein Caroni und auch kein Rum ist. Eine richtig schöne (natürliche) Traubensüße macht sich im ganzen Mundraum breit. Dazu geröstete Nüsse, Marzipan, Kakao... und ein kleiner Tropfen Motoröl. Intensiv und ölig mit einem schönen Wechselspiel zwischen trockener Eiche und angenehmer Süße. Gerade Armagnacs dieses Alters sind (mir) oft zu pfeffrig und eichenwürzig ohne Traubensüße. Das ist hier anders und gefällt mir richtig gut.

ABGANG: Blaubeeren, Menthol, Walnüsse, Trauben und etwas Gummi bleiben sehr lange im Mundraum. Herrlich!

KOMMENTAR: Richtig gut! Ich hoffe, dass dieses Fass kein Einzelfall war und dass es noch mehr von diesen "Armaronis" geben wird.
92/100
Aurian 1966/2020
Abgefüllt für Wu Dram Clan, 53%
NASE: Komplett unterschiedliches Bouquet. Wirkt jünger als der 1979er. Vom Grundcharakter eher "modrig" und um beim Rum-Vergleich zu bleiben: Eine Mischung aus High-Ester und Rhum Agricole. Lösungsmittel, Lack, vergorene "organische Dinge" wie Früchte, modriges Holz und Laub. Dazu gemüsige und erdige Noten. Wie beim Vorgänger habe ich noch eingekochte Früchte, Nüsse und Kakao. Die Nase ist komplex, intensiv und auch irgendwie "sonderbar", aber je länger ich daran rieche, desto mehr zieht mich dieser Aromenmix in seinen Bann.

GAUMEN: Wieder eine tolle Balance zwischen Eichenwürze und fruchtiger Süße. Das Ganze gelingt dem 1966er noch eine Spur besser als dem 1979er. Die "Sonderbarkeit" aus der Nase ist hier weit weniger vertreten und ich bekomme überwiegend diverse eingekochte und getrocknete Früchte, Kakao, Karamell, Nüsse und etwas Menthol. Wieder intensiv und ölig im Mund. Sehr, sehr lecker!

ABGANG: Traubenkonzentrat mit Kakao, Kaffee, Nüssen und Karamell. Endlos bleibt das Ganze im Mund.

KOMMENTAR: Die Wertung fällt mir schwer, da mir der 1979er in der Nase besser gefallen hat, der 1966er beim Trinken dann (noch) mehr punkten konnte. Beide sind auf jeden Fall richtig gut und auch ziemlich unterschiedlich. Am Ende macht bei mir der 1979er aber knapp das Rennen.
91/100

Montag, 7. Dezember 2020

Demerara-Rum: Enmore-Versailles 1990/1992

Heute schaue ich mir 4 Rums an, die alle komplett in Europa gereift sind und Anfang der 1990er Jahre in der Single Wooden Pot Still von ehemals Versailles gebrannt wurden. Ab Ende der 1970er, als Versailles schloss, befand sich diese Pot Still aus Holz bei Enmore, bis Enmore dann 1994 geschlossen wurde. Wie man im Titelbild schon sieht oder erahnt, werde ich mir den sagenumwobenen und phänomenalen 1994er Versailles REV von Rum Artesanal und den durchaus umstritteten KFM der Flensburg Rum Company, die beide ebenfalls noch bei Enmore gebrannt wurden, danebenstellen.
Guyana 1990/2015
Rum Artesanal, 61,2%
NASE: Der Grundcharakter zu Beginn ist eher hell, cremig, leicht säuerlich und kräuterig. Joghurt, dazu etwas Bleistiftspähne, ein paar Trockenfrüchte, ein paar Tropfen Zitrone und gemischte Kräuter, die ich nicht weiter benennen kann. Der hohe Alkoholgehalt lässt ihn zuerst etwas verschlossen wirken. Auch wenn er sich von den 1992ern und den beiden Vergleichsrums schon deutlich unterscheidet, so ist hier sehr deutlich diese "Versailles"-Grundnote drinnen, die ich noch nicht so gut greifen und beschreiben kann. Nach über einer Stunde Standzeit entwickelt sic zusätzlich noch eine absolut herrliche Kaffee-Nougat-Kombination, die den Grundcharakter deutlich mehr in Richtung "dunkel" verändert.

GAUMEN: Die über 60% verstecken sich nicht. Das britzelt schon ganz gut auf der Zunge. Hier wird es wieder etwas heller im Charakter. Saure Grundkomponenten wie Grapefruit und dazu einiges an kribbelnder Eichenwürze und Kräutern. Es bleibt aber dennoch zum guten Teil cremig.

ABGANG: Süß-sauer, trocken. Grapefruit mit etwas Zucker drauf. Dazu Anis, etwas Süßholz und wieder (für mich) undefinierbare Kräuternoten.

KOMMENTAR: Die Nase hat mir deutlich besser gefallen als der Rest. Dennoch bleibt es ein sehr guter Rum für mich.
86/100
Guyana Enmore 1990/2017
Duncan Taylor, 54%
NASE: Sehr verwandt mit dem Vorgänger, was nicht sonderlich überrascht. Dieser hier ist aber sehr schnell offen und aromatischer, was vermutlich u.a. an der (sehr wahrscheinlich) stattgefundenen Wasserzugabe liegt. Nach der oben genannten längeren Standzeit gleicht sich das aber aus und diese Kaffe-Nougat-Note kommt bei weitem nicht so stark raus wie beim Rum Artesanal.

GAUMEN: Süß-sauer und ölig. Wieder etwas Grapefruit mit Zucker. Eichenwürze mit Leder und Gewürzen.

ABGANG: Zuerst süßlich, dann säuerlich und trocken.

KOMMENTAR: Ich habe Schwierigkeiten die Aromen zu beschreiben, ihr merkt es sicherlich. Dennoch gefällt mir der Rum sehr gut und ich gebe ihm die gleiche Punktzahl wie dem Vorgänger, da dieser hier mir etwas besser beim Trinken gefallen hat, dafür der Rum Artesanal in der Nase mehr punkten konnte.
86/100
Guyana 1992 25 Jahre
Kill Devil, 46%
NASE: Es wird dunkler. Zum einen, weil dieses Batch sehr wahrscheinlich beim Befüllen des Fasses seitens Enmore gefärbt wurde und zum anderen weil mir hier Pflaumenmarmelade, viele Trockenfrüchte, Kaffee, Leder, Bleistiftspähne und Tabak entgegenfliegen. Grundsätzlich dem 1994er RA REV nicht gerade unähnlich, auch wenn sich letzterer auf einem anderen Level bewegt. Mit 46% ist der Kill Devil das Leichtgewicht der heutigen Runde, aber das merkt man dem Bouquet nicht sonderlich negativ an, auch wenn es ihm etwas an Kraft fehlt. Das ist schon sehr gut!

GAUMEN: Hier ist die Verdünnung schon leider deutlicher zu spüren. Dem wurde da doch ganz schön Kraft genommen. Schade. Dennoch sind da viele leckere Aromen: Schokolade, Kaffee, Pflaumenmarmelade. Sehr lecker.

ABGANG: Es geht weiter mit diesen Aromen und zusätzlich entwickelt sich eine leichte Säure. Auch etwas Melasse und Kräuter spielen mit rein.

KOMMENTAR: Tolles Destillat in einem sehr guten Fass. Hier verhindert nur die Verdünnung die 90-Punkte-Marke. Beim nächsten sehen wir wie das Ganze ohne Wasser aussehen könnte...
88/100
Guyana MEC 1992/2020
Flensburg Rum Company, 59,8%
NASE: Deutlich verschlossen zu Beginn. Der wird brauchen im Glas... Dem Kill Devil ähnlich, aber intensiver und dunkler. Ich bekomme zusätzlich zu der Pflaumenmarmelade, den Trockenfrüchten und dem Leder noch einen ordentlichen Schuss Schoko- und Kaffeelikör. Dazu Nougat, Kirschen und Möbelpolitur. Das ist für mich schon ein anderes Intensitäts- und Aromenlevel als beim Kill Devil. Eine sehr gediegene und gesetzte Nase. Dennoch ist der RA REV einfach nicht zu schlagen mit seinen herrlichen, intensiven Pflaumen-, Tabak-, exotischen Gewürz- und Lederaromen.

GAUMEN: Kraftvoll und mundausfüllend. Sehr ölig. Pflaumensüße, Trockenfrüchte und ordentlich Eiche (aber bei weitem nicht zu viel). Erdige Melassenoten. Der Alkohol ist sehr gut eingebunden.

ABGANG: Sehr trocken. Viel erdige Melassenoten mit Eisennoten. Dieser sehr schöne Aromenmix bleibt lange im Mundraum hängen.

KOMMENTAR: Darf ich vorstellen: Mein Platz 2 unter den 6 Versailles.
91/100
Wer den Vergleich zum Flensburg-KFM bisher vermisst hat: Dieser ist tatsächlich nur schwer vergleichbar mit den anderen heute. Der KFM ist (wie mittlerweile ja viele wissen) extrem fasslastig, was mir in der Nase noch echt richtig gut gefällt. Teilweise erinnert er mich heute an sehr eichenlastige Caronis wie beispielsweise den gelben Velier 1994.
Der RA REV 1994 hingegen lässt sich sehr gut mit den anderen vergleichen, vor allem mit den beiden 1992ern. Mir war zwar vorher schon bewusst, dass der REV sehr gut ist, aber das heutige große Vergleichstasting hat mir das nochmal mehr eindrucksvoll gezeigt.

Donnerstag, 3. Dezember 2020

Velier Caroni Employees 1998 Dayanand Balloon & Balas Bhaggan

Nach dem hervorragenden Basdeo "Dicky" Ramsarran des Jahrgangs 2000 letzte Woche, geht es nun weiter mit der 4. Release-Reihe der Velier Caroni Employees. Dieses Mal mit den beiden 1998ern, die kurioserweise zusammen in einem Release enthalten sind. Da haben wir einmal Dayanand "Yunkoo" Balloon, der 10 Jahre bei Caroni gearbeitet hat und einmal Balas "Brigade" Bhaggan, der 14 Jahre dort tätig war. Beide Abfüllungen wurden jeweils aus 6 Fässern Heavy-Rum geblendet. 1998 ist ein Jahrgang mit Höhen und Tiefen, das wissen Caroni-Nerds. Ich stelle mir aus Referenz diese beiden 1998er daneben: Ganesh "Buju" aus der 3. Employee-Reihe, der richtig, richtig gut - aber auch ungewöhnlich für 1998 war - und Kevon aus der 2.Edition, der mich nicht so ganz überzeugen konnte damals.
Caroni 1998 21 Jahre
Employee Balas "Brigade" Bhaggan
Velier, 68,4%,
Ich beginne mit "Brigade", da dieser anscheinend die Tendenz hat ein kleiner Spalter zu sein. Auf Blogs und in diversen Facebook-Gruppen liest man von Enttäuschungen bis hin zu Lobesliedern. Ich bin da echt gespannt wo ich mich einordnen werden.
NASE: Nussiges, muffiges und leicht deftiges Grundprofil mit etwas Altmetall und Gummi im Hintergrund. Die Nase passt erstmal von Beginn an in meine Erwartungen an einen grundsoliden 1998er Caroni. Die dreckigen Vertreter wie beipielsweise "Dennis" aus dem ersten Employee-Release oder der 18-jährige Cadenhead spielen da allerdings ein anderes Spiel - ein deutlich dreckigeres nämlich. Dafür bringt "Brigade" aber ein gutes Stück mehr Reife mit. Ich rieche herrliche, schwere und warme Vanille, Zimt, Nelken und dazu Karamell, Rosinen und getrocknete Aprikosen. Als Fundament brodelt im Hintergrund eine deftige Bratensoße (Flo von BAT beschrieb - so denke ich - genau diese Note als "fleischig") mit Gummi und Altmetall. Das alles gefällt mir sehr gut, aber haut mich noch nicht so richtig vom Hocker. Das ändert sich aber nach fast 2 Stunden des Atmens und ein paar kleinen Schlücken. Das Bouquet gewinnt an Fahrt und ich bekomme noch eine schwere florale Note, Marzipan mit Orangenschale und mehr Zimt.

GAUMEN: Während der ziemlich hohe Alkoholgehalt beim Riechen nicht weiter aufgefallen ist, ist er beim Trinken doch schon deutlich zu spüren. Der Rum ist zunächst bei den ersten kleinen Schlücken sehr trocken gepaart mit dieser Deftigkeit. Es fehlt ihm zunächst noch jegliche Art von Süße, was mir zuerst nicht sonderlich gut gefällt. Aber auch hier gewinnt der Rum mit der Zeit im Glas, denn es kommt mehr und mehr diese Karamell-Gummi-Süße zum Vorschein, die ich an Caronis so gern hab.

ABGANG: Süße gepaart mit deftiger Bratensoße, Gummi, Eiche, Anis und Süßholz. Sehr lange bleibt dieser Aromenmix im Mundraum.

KOMMENTAR: Diesen deftigen Touch - Bratensoße ist vermutlich hier auch nicht wirklich treffend - muss man mögen, denn er ist definitiv ein Key-Feature dieser Abfüllung, was natürlich nicht heissen soll, dass dieser Caroni nur nach Bratensoße schmeckt ;-). Mir hat er sehr gut gefallen, auch wenn er nicht zu meinen Favoriten unter den (Velier) Caronis zählt.
91/100
Caroni 1998 21 Jahre
Employee Dayanand "Yunkoo" Balloon
Velier, 68,3%,
NASE: "Yunkoo" wirkt gesetzter, geschmeidiger und ruhiger als "Brigade". Hier gibt es keine Anzeichen von dieser deftigen Note. Das Profil erinnert mich zunächst mehr an einen tropisch gereiften Diamond mit Klebstoff, Kokos, Rosinen, Zimt, Kakao, Nelken und etwas Gummi. Auch hier ändert sich das Bouquet nach 1-2 Stunden und der Rum wandelt sich wieder mehr in Richtung klassischem Caroni mit deutlicherem Gummi, Benzin und Teer, wenn auch im Hintergrund bleibend. Auch hier bekomme ich diese schweren floaren Noten wie bei "Brigade". Beide Nasen gefallen mir auf ihre Art sehr gut und ich würde spontan vermutlich "Yunkoo" lediglich einen kleinen Vorsprung geben.

GAUMEN: Hier habe ich sofort diese Süße, die ich bei "Brigade" am Anfang vermisst habe. Diese karamellige (natürliche!) Süße bildet einen schönen Gegenpart zu der trockenen Eichenwürze, die auch hier sehr präsent ist. Dazu etwas Gummi. Der Alkohol ist hier gefährlich gut integriert.

ABGANG: Kurzes, intensives Brennen zuerst. 68% Alkohol können sich dann einfach doch nicht komplett verstecken. Dann wieder Süße, Eiche und Gummi. Es bleibt sehr lange dieser wunderbare Caroni-Mix aus Karamell, Anis, Süßholz und Gummi/Teer im Mundraum.

KOMMENTAR: Ein sehr schöner Rum, der mir bei zwei direkten Vergleichstastings einen Tick besser gefallen hat als "Brigade". Aber auch "Yunkoo" wird es nicht in meine All-Time-Caroni-Favoritenliste schaffen.
92/100
Auch wenn beide Rums nicht zu meinen Caroni-Lieblingen zählen, finde ich beide sehr passend in der Employee-Reihe aufgehoben. An den überragend guten Gansesh "Buju" kamen sie bei weitem nicht ran, aber "Kevon" haben sie - in meinen Augen - deutlich übertroffen.