Sonntag, 20. Januar 2019

Whisky vs. Rum - nur ein paar Gedanken

Ich mache mir regelmäßig Gedanken zu den Vor- und Nachteilen und Unterschieden zwischen diesen beiden großen Spirituosen. Beide sind gern gesehene Gäste in meinem Glas und Mund. Allerdings merke ich, dass ich in regelmäßigen Abständen immer wieder einen anderen Favoriten habe. Um den aktuellen Stand meiner Ansicht festzuhalten, erstelle ich hier diesen Post.

Es ist nicht mein Ziel einen Gewinner zu küren, sondern nur meine Gedanken zu sortieren und zu dokumentieren. Alles folgende ist rein meine Meinung und ich bin auch kein Experte, der sich rausnimmt irgendeine Art von allgemein gültigem Urteil zu fällen.

Ich möchte das anhand von verschiedenen Aspekten tun, auch wenn ich, wie oben bereits geschrieben, keinen Gewinner und Verlierer ernennen möchte.

Transparenz/Mainstream
Dieses Thema hat nicht direkt etwas mit der Qualität der einzelnen Spirituosen-Sorte zu tun, sondern vielmehr mit der der Branche, deren Organisation und Regeln.

Folgendes Szenario: Ich stehe in einem Lebensmittelgeschäft mit relativ gut sortierter Spirituosenabteilung, kein kleiner Edeka am Eck und auch kein Spirituosen-Fachgeschäft. Ich darf blind in ein Regal greifen und bekomme die Flasche geschenkt. Entweder das Whisky- oder das Rum-Regal. Ich würde mich für das Whisky-Regal entscheiden. Ganz klar. Wahrscheinlich würde ich einen Talisker 10, Laphroaig 10, Lagavulin 16, einen 12-18 jährigen Speysider oder einen etwas besseren Bourbon wie Jack Daniels Single Barrel in den Händen halten. Alles sehr gute Spirituosen, bei denen selbst jemand mit mittlerem Kenntnisstand grob weiss was in der Flasche ist! Im Rum-Regal sähe das anders aus. Botucal, Zacapa, Captain Morgan, Don Papa und Pyrat XO haben hier das Sagen. Alles schlecht und billig produzierte Massenware, die mit Zucker, Glycerin, Vanillin und anderen Aromen aufgemotzt wurden. Auch alle möglichen Top-10-Listen sehen genauso aus. Es ist also nahezu unmöglich für den Normalsterblichen, der mal einen guten Rum haben will, eben diesen solchen zu erwerben. Zu sehr muss man sich rein-nerden in das Thema.

Klarer Vorteil für den Whisky hier!

Allerdings ist eine schöne Entwicklung im Rum-Bereich zu sehen. Im KaDeWe in Berlin (einem Luxus-Karstadt) gibt es z.B. die neuen Hampden-Releases, Mount Gay XO und diverse Appletons. Zwar alle 20-30€ teurer als üblich, aber es gibt sie. Auch der normale Karstadt hat mittlerweile zumindest den 12er Appleton und den Mount Gay Eclipse (naja immerhin).

Preise/Verfügbarkeit
Die Rum-Branche und die angeblichen Liebhaber von Rums hört man oft gröhlen: „Man solle doch von Whisky zu Rum wechseln, weil hier alles noch so günstig ist wie früher beim Whisky! Und außerdem sind die Whisky-Jungs eh grimmige Spielverderber“.

Hmmm schon wieder so eine Rauchbombe, die man überbrücken muss. Sobald man sich nämlich mit der Thematik „authentische Rums“ genauer beschäftigt hat, fallen plötzlich gefühlte 80-90% dieser super günstigen Lila-Laune-Piraten/Abenteurer-Schnäppchen weg, weil das in Wahrheit mit 30-50€ total überteuerte Pfennigs-Ware ist! Lediglich die Verpackung ist einiges an Geld wert.

Die richtigen Kracher (u.a. Hampden, Worthy Park, Caroni usw.) bekommt man meistens nur von unabhängigen Abfüllern und da landet man schnell bei 80 bis weit über 200€ für eine Flasche. Und davon gibt es dann naturgemäßig, da oft ein Einzelfass, auch nur 200-300 Flaschen. Die Chance eine Flasche davon abzubekommen ist also oft nicht hoch. Wenn man zu langsam ist, muss man später für Restbestände ordentlich draufzahlen.

Es gibt selbstverständlich Ausnahmen wie z.B. den deutschen UA „The Rum Cask“, die vernünftige Preise ansetzen (ca. 40-60€ für 0,5L von toll ausgewählten Fässern). Auch gibt es (teilweise neue) Standards, die auch preiswert sind, wie die neuen Hampden-Abfüllungen, Appleton Estate, Foursquare usw..

Die Auswahl an hervorragenden Standards im Whisky-Sektor zu relativ okayen Preisen von 30-80€ ist enorm wie ich finde. Und jetzt nicht kommen mit: „Ja, aber der Whisky hat so eine lange Tradition. Da haben sich gute Marken und Regeln etabliert“. Denn nahezu jeder Mainstream-Rum-Hersteller prahlt mit einer 100000 Jahre alten Geschichte!

Auch gibt es zwar beim Whisky überteuerte Trends oder „closed distilleries“ wie Port Ellen oder Rosebank. Diese sind, meiner Meinung nach, aber mit ein paar Abstrichen ersetzbar. Wenn ich aber einen Caroni- oder Hampden-Rum will, gibt es keine Alternative, weil das Aromen-Profil (gerade bei Caroni) extrem speziell ist.

Wieder hat, meiner Meinung nach, Whisky hier die Nase vorn.

Geschmack/Wow-Effekt
Jetzt kommen wir zum Eingemachten. Auf welchem Weg auch immer, ich bin bewusst, belesen und gebildet an Flaschen gekommen, am Durchprobieren von diversen Samples. Whisky schmeckt mir sehr sehr gut, aber ich finde die verblüffenden Outlaws, die einen überwältigt und sprachlos zurücklassen, gibt es eher weniger. Zu eingespielt erscheinen die Geschmäcker: Hier mal mehr, mal weniger rauchig, mal mehr speckig oder maritim, dort eine Süßwein-Reifung. Das könnte man natürlich auch als Kompliment auffassen, da der allgemeine Standard sehr hoch ist. Ich persönlich hatte beim Whisky aber noch kein so extremes „Erleuchtungs“-Erlebnis wie bei vielen Rums von Jamaika und der Caroni-Destillerie ganz besonders. Meistens, wenn ich einen dieser Rums trinke, denke ich: „Was war nochmal Whisky?“

Ich glaube ich verrate nichts neues, wenn ich hier dem Rum einen Vorteil gebe!

Klarstellung: Irgendwie klingt der Text teilweise sehr hart und nörgelich (gerade der letzte Teil lässt den Whisky langweilig aussehen). Ich bin ein großer Liebhaber beider Spirituosen! Ich habe bisher keine andere kennengelernt, die mich so sehr begeistert wie Rum und Whisky. Ja, aktuell ist Rum bei der Aufzählung an erster Stelle ;-)

Was denkt ihr?