Montag, 7. Dezember 2020

Demerara-Rum: Enmore-Versailles 1990/1992

Heute schaue ich mir 4 Rums an, die alle komplett in Europa gereift sind und Anfang der 1990er Jahre in der Single Wooden Pot Still von ehemals Versailles gebrannt wurden. Ab Ende der 1970er, als Versailles schloss, befand sich diese Pot Still aus Holz bei Enmore, bis Enmore dann 1994 geschlossen wurde. Wie man im Titelbild schon sieht oder erahnt, werde ich mir den sagenumwobenen und phänomenalen 1994er Versailles REV von Rum Artesanal und den durchaus umstritteten KFM der Flensburg Rum Company, die beide ebenfalls noch bei Enmore gebrannt wurden, danebenstellen.
Guyana 1990/2015
Rum Artesanal, 61,2%
NASE: Der Grundcharakter zu Beginn ist eher hell, cremig, leicht säuerlich und kräuterig. Joghurt, dazu etwas Bleistiftspähne, ein paar Trockenfrüchte, ein paar Tropfen Zitrone und gemischte Kräuter, die ich nicht weiter benennen kann. Der hohe Alkoholgehalt lässt ihn zuerst etwas verschlossen wirken. Auch wenn er sich von den 1992ern und den beiden Vergleichsrums schon deutlich unterscheidet, so ist hier sehr deutlich diese "Versailles"-Grundnote drinnen, die ich noch nicht so gut greifen und beschreiben kann. Nach über einer Stunde Standzeit entwickelt sic zusätzlich noch eine absolut herrliche Kaffee-Nougat-Kombination, die den Grundcharakter deutlich mehr in Richtung "dunkel" verändert.

GAUMEN: Die über 60% verstecken sich nicht. Das britzelt schon ganz gut auf der Zunge. Hier wird es wieder etwas heller im Charakter. Saure Grundkomponenten wie Grapefruit und dazu einiges an kribbelnder Eichenwürze und Kräutern. Es bleibt aber dennoch zum guten Teil cremig.

ABGANG: Süß-sauer, trocken. Grapefruit mit etwas Zucker drauf. Dazu Anis, etwas Süßholz und wieder (für mich) undefinierbare Kräuternoten.

KOMMENTAR: Die Nase hat mir deutlich besser gefallen als der Rest. Dennoch bleibt es ein sehr guter Rum für mich.
86/100
Guyana Enmore 1990/2017
Duncan Taylor, 54%
NASE: Sehr verwandt mit dem Vorgänger, was nicht sonderlich überrascht. Dieser hier ist aber sehr schnell offen und aromatischer, was vermutlich u.a. an der (sehr wahrscheinlich) stattgefundenen Wasserzugabe liegt. Nach der oben genannten längeren Standzeit gleicht sich das aber aus und diese Kaffe-Nougat-Note kommt bei weitem nicht so stark raus wie beim Rum Artesanal.

GAUMEN: Süß-sauer und ölig. Wieder etwas Grapefruit mit Zucker. Eichenwürze mit Leder und Gewürzen.

ABGANG: Zuerst süßlich, dann säuerlich und trocken.

KOMMENTAR: Ich habe Schwierigkeiten die Aromen zu beschreiben, ihr merkt es sicherlich. Dennoch gefällt mir der Rum sehr gut und ich gebe ihm die gleiche Punktzahl wie dem Vorgänger, da dieser hier mir etwas besser beim Trinken gefallen hat, dafür der Rum Artesanal in der Nase mehr punkten konnte.
86/100
Guyana 1992 25 Jahre
Kill Devil, 46%
NASE: Es wird dunkler. Zum einen, weil dieses Batch sehr wahrscheinlich beim Befüllen des Fasses seitens Enmore gefärbt wurde und zum anderen weil mir hier Pflaumenmarmelade, viele Trockenfrüchte, Kaffee, Leder, Bleistiftspähne und Tabak entgegenfliegen. Grundsätzlich dem 1994er RA REV nicht gerade unähnlich, auch wenn sich letzterer auf einem anderen Level bewegt. Mit 46% ist der Kill Devil das Leichtgewicht der heutigen Runde, aber das merkt man dem Bouquet nicht sonderlich negativ an, auch wenn es ihm etwas an Kraft fehlt. Das ist schon sehr gut!

GAUMEN: Hier ist die Verdünnung schon leider deutlicher zu spüren. Dem wurde da doch ganz schön Kraft genommen. Schade. Dennoch sind da viele leckere Aromen: Schokolade, Kaffee, Pflaumenmarmelade. Sehr lecker.

ABGANG: Es geht weiter mit diesen Aromen und zusätzlich entwickelt sich eine leichte Säure. Auch etwas Melasse und Kräuter spielen mit rein.

KOMMENTAR: Tolles Destillat in einem sehr guten Fass. Hier verhindert nur die Verdünnung die 90-Punkte-Marke. Beim nächsten sehen wir wie das Ganze ohne Wasser aussehen könnte...
88/100
Guyana MEC 1992/2020
Flensburg Rum Company, 59,8%
NASE: Deutlich verschlossen zu Beginn. Der wird brauchen im Glas... Dem Kill Devil ähnlich, aber intensiver und dunkler. Ich bekomme zusätzlich zu der Pflaumenmarmelade, den Trockenfrüchten und dem Leder noch einen ordentlichen Schuss Schoko- und Kaffeelikör. Dazu Nougat, Kirschen und Möbelpolitur. Das ist für mich schon ein anderes Intensitäts- und Aromenlevel als beim Kill Devil. Eine sehr gediegene und gesetzte Nase. Dennoch ist der RA REV einfach nicht zu schlagen mit seinen herrlichen, intensiven Pflaumen-, Tabak-, exotischen Gewürz- und Lederaromen.

GAUMEN: Kraftvoll und mundausfüllend. Sehr ölig. Pflaumensüße, Trockenfrüchte und ordentlich Eiche (aber bei weitem nicht zu viel). Erdige Melassenoten. Der Alkohol ist sehr gut eingebunden.

ABGANG: Sehr trocken. Viel erdige Melassenoten mit Eisennoten. Dieser sehr schöne Aromenmix bleibt lange im Mundraum hängen.

KOMMENTAR: Darf ich vorstellen: Mein Platz 2 unter den 6 Versailles.
91/100
Wer den Vergleich zum Flensburg-KFM bisher vermisst hat: Dieser ist tatsächlich nur schwer vergleichbar mit den anderen heute. Der KFM ist (wie mittlerweile ja viele wissen) extrem fasslastig, was mir in der Nase noch echt richtig gut gefällt. Teilweise erinnert er mich heute an sehr eichenlastige Caronis wie beispielsweise den gelben Velier 1994.
Der RA REV 1994 hingegen lässt sich sehr gut mit den anderen vergleichen, vor allem mit den beiden 1992ern. Mir war zwar vorher schon bewusst, dass der REV sehr gut ist, aber das heutige große Vergleichstasting hat mir das nochmal mehr eindrucksvoll gezeigt.