Freitag, 20. März 2020

Enmore (94 RA-REV, 93 DDL-EHP, 97 RN-EHE)


Es geht mal wieder nach Guyana für mich. Anlass war die neue Abfüllung von Rum Artesanal, die bereits vor dem eigentlichen Release am 13.03.2020 ausverkauft war und zur Zeit viel diskutiert wird in den entsprechenden Netzwerken. Ich hatte das Glück an eine solche heiß-begehrte Flasche zu kommen. Vielen Dank dafür! (Die entsprechende Person weiss wer gemeint ist).

Zum Vergleich habe ich noch 2 Samples aus meiner Samplebox rausgesucht. Da Enmore nicht gleicht Enmore ist, versuche ich mich hier an einer winzig-kleinen Zusammenfassung der wichtigsten Fakten: Enmore besaß bis zur Schließung 1994 eine Pot-Still (VSG) und eine Coffey-Still (EHP, EHE), beide aus Holz. Die Pot-Still wurde nach der Schließung von Versailles (Guyana, nicht Frankreich) in den 1970ern nach Enmore gebracht. Nach der Schließung von Enmore dann zogen beide Stills nach Uitvlugt und dann später 1999 zur Diamond-Destillerie um, wo sie mit anderen alten Stills, wie etwa der doppelten Holz-Pot-Still von Port Mourant, noch heute in Betrieb ist.
Enmore E.H.P. 1993/2015
DDL, 56,5%, El Dorado "Rare Collection"
Hier haben wir es in zweifacher Hinsicht quasi mit einem Original-Enmore zu tun. Zum einem wurde er noch bei Enmore selbst destilliert und zweitens wurde er nach 22 Jahren tropischer Reifung von DDL selbst abgefüllt. Laut den Hydrometer-Tests von Wes Burgin und Johnny Dreyer wurde anscheinend kein Zucker hinzugefügt, was bei der "Rare Collection" aber bereits auch schon vorkam. Rum Tasting Notes App Link
NASE: Relativ mild und verschlossen. 1-2 Tropfen Wasser helfen da etwas, aber nicht sonderlich viel. Ich bekomme ein recht generisches Column-Still-Rum-Profil geboten. Vollmilchschokolade, Karamell, Vanille, Rosinen, Kokos und etwas Nüsse. Alles solide, aber auch nicht wirklich spannend und so richtig durchstarten will der irgendwie nicht.

GAUMEN: Sehr cremig und süß mit Vollmilchschokolade, Rosinen und Karamell. Die Süße dürfte hier an die Grenzen der Möglichkeit von tropischer Faßreifung rankommen ;-). Behält man ihn etwas länger im Mund, rollen die Taninne ran. Der Alkohol ist nicht spürbar.

ABGANG: Die Schokolade geht jetzt in die Richtung Zartbitter. Dazu Kaffee. Es wird deutlich bitterer als noch im Mund. Trotzdem bleibt eine auffangende Süße vorhanden.

KOMMENTAR: Lecker auf jeden Fall. Aber auch irgendwie langweilig. Bei dem Preis und dieser langen tropischen Reifung, hatte ich mir mehr vorgestellt.
85/100
Enmore R.E.V. 1994/2020
25 Jahre
Rum Artesanal, 51,4%,
Nun kommen wir zum eigentlichen Highlight. Dieser wurde noch bei Enmore selbst in der Holz-Pot-Still von Versailles (VSG) destilliert. Was das Mark REV genau bedeutet, ist anscheinend wenig bekannt (EV = Enmore-Versailles?). Eines ist aber relativ sicher: Nämlich dass dieser Rum gefärbt wurde. Aber nicht von Rum Artesanal, sondern von Enmore selbst (bereits beim Befüllen des Fasses oder bei Auslieferung des Bulk-Containers?). Guyana-Rum ist und bleibt ein sehr verworrenes Thema, was hier wiedermal mehr als deutlich wird. Rum Tasting Notes App Link
NASE: Voll, tief und dunkel. Sehr präsent sind getrocknete Pflaumen, Pflaumenmarmelade, eingekochte Früchte, Lakritz und Melasse. Dahinter Eichenwürze, Waldhonig, Thymian und eine leichte Säure, die teilweise ins ledrige geht. Eine richtig schöne Nase!

GAUMEN: Sehr weiches Mundgefühl. Mir fast schon zu weich, wenn ich hier ein Luxus-"Problem" anmelden darf ;-). Der Alkohol ist überhaupt nicht zu spüren. Melasse, Lakritz und Pflaumenmarmelade geben den Ton an. Eine schöne Mischung aus natürlicher Süße und würzigen Elementen. Tannine der Eiche sind nach 25 Jahren selbstverständlich mit von der Partie, aber noch entfernt von zu viel. Mit 1-2 Tropfen Wasser wird die Eiche stärker.

ABGANG: Eine geballte Ladung Pflaumenmarmelade, Melasse, Lakritz, Eichenwürze und Anis macht sich im gesamten Mund- und Rachenraum breit.

KOMMENTAR: Ein intensiver echt richtig guter Rum! Das war ein echter Volltreffer von Rum Artesanal und Dominik Marwede. Und über den Ausgabepreis von 109€ für den halben Liter muss man in heutigen Wahnsinns-Zeiten wohl auch nicht groß sprechen!
94/100
Enmore E.H.E. 1997/2016
Rum Nation, 58,7%, Cask No. 2-3-69
Laut barrel-aged-mind ist das Mark dieser Abfüllung EHE und stammt aus der hölzernen Coffey-Still von Enmore. Dieser Rum hat, wie für Rum Nation üblich, ein 5-jähriges Finish in Oloroso-Fässern erhalten. Gebrannt wurde er aber bereits bei Uitvlugt und nicht mehr bei Enmore selbst. Rum Tasting Notes App Link
NASE: Woah, das ist das ist ein ganz anderer Style. High-Ester wird hier anscheinend gespielt. In den ersten Minuten nach dem Eingießen strömen Unmengen an Lösungsmittel-, Klebstoff- und Möbelpolitur-Aromen aus dem Glas. Dahinter ein säuerlicher, tropisch-fruchtiger, vergorener Touch. Erinnert mich bis hierhin spontan an den Habitation Velier Long Pond 2005. Lässt man ihn eine gute halbe Stunde offen Atmen, gehen die Lösungsmittel-Aromen ein gutes Stück zurück und die Sherry-Reifung kommt zum Vorschein mit Nüssen (Walnüsse sind für mich hier recht dominant), dunklen Beeren und Hefe. Gefällt mir richtig gut!

GAUMEN: süß-saurer Antritt. Ölig, cremig. Es geht weiter mit Lösungsmitteln und Möbelpolitur. Darunter fruchtige Süße mit diversen Gewürzen, die ich nicht so richtig greifen kann.

ABGANG: Direkt nach dem Runterschlucken, erinnert mich das sehr an den typischen, cremigen und süßen Hampden-Lösungsmittel-Abgang. Danach kommt ein ordentlicher Schwall Blaubeeren den Rachen hoch geschossen.

KOMMENTAR: Der war auf jeden Fall der extremste der heutigen Runde. Während der REV von Rum Artesanal trotz seiner Intensität noch sehr süffig und "gefällig" daherkam, muss man auf den Rum Nation schon speziell Lust haben.
92/100