Samstag, 4. April 2020

Mount Gay

Das erste mal auf diesem Blog geht es zur Mount-Gay-Destillerie auf Barbados. Bisher konnte ich "privat" lediglich den X.O. und den "Master Select" probieren. Das ist aber auch schon eine ganze Weile her.
Mount Gay X.O.
Originalabfüllung, 43%,
Kaum ein anderer Rum wird Einsteigern auf Facebook und Foren so oft empfohlen wie dieser. Der Grund? Auf Barbados darf per Gesetz (wie auf Jamaika) kein Zucker oder andere Zusätze (bis auf Farbstoff und Wasser) dem Rum untergerührt werden, d.h. hier bekommt man unverfälschten Basic-Rum-Flavor mit ca. 9-12 Jahren tropischer Reifung und immerhin 43% und das für ca. 35-40€.
NASE: Sehr klassisches und mildes Rum-Profil: Milchschokolade, Kokos, Karamell, Vanille. Dahinter Rosinen und etwas Amaretti (zum Thema "Amaretti" weiter unten mehr).

GAUMEN: Erstaunlich kräftig für 43%. Spiegelt perfekt 1:1 die Nase wieder mit einer schönen natürlichen Süße (Milchschokolade, Karamell) aus dem Fass.

ABGANG: Rosinen und Kokos dominieren hier für mich. Es bleibt angenehm und sehr entspannt.

KOMMENTAR: Gut gemachter Rum mit einem hervorragendem PLV. Jeder der sich "ernsthaft" mit Rum auseinandersetzen will, sollte u.a. mit diesem einsteigen, sofern er noch keine große Spirituosenerfahrung hat. Ab einem gewissen Punkt, den ich auf jeden Fall schon "lange hinter mir" habe, kann der X.O. dann natürlich nicht mehr so richtig begeistern.
80/100
Mount Gay X.O. Cask Strength
Originalabfüllung, 63%,
2016 kam diese Sonderabfüllung auf dem Markt, um den Fans und Nerds "ihren" berühmten und geliebten X.O. in Fasstärke zu präsentieren. Ob es sich hierbei um die gleiche Fassauswahl (nur eben ohne Wasserzugabe) handelt bezweifle ich, aber ich weiss es auch nicht.
NASE: Während der normale X.O. sehr offen und zugänglich ist, ist dieser ziemlich dicht. Da kommst außer Klebstoff und Kokos erstmal nicht viel aus dem Glas. Das ändert sich nach weit über 30 Minuten auch nicht sonderlich. Auch Verdünnen auf unter 60% hilft nicht viel. Florian von BAT hat es perfekt mit "Luftlöchern" beschrieben. Mal kommt was aus dem Glas, dann wieder nichts mehr.

GAUMEN: Kräftig und intensiv. Der drückt ordentlich auf die Zunge und im gesamten Mundraum ohne aber unangenehm zu werden. Es verbreitet sich eine herrliche natürliche Süße mit Vollmilchschokolade, Karamell, Vanille und Marzipan. Hier macht der einiges an Punkten wieder gut, die er im Aroma eingebüßt hat.

ABGANG: Es wird etwas bitterer mit etwas Kaffee. Dazu aber wieder Vollmilchschokolade und Karamell.

KOMMENTAR: Ich bin ein "Schnüffler", mir ist das Bouquet einer Spirituose extrem wichtig. Von daher hab ich keine andere Wahl als ihm eine recht niedrige Wertung zu geben. Hätte er einfach nur das Aromenspektrum, das er am Gaumen plötzlich entwickelt auch in der Nase wäre ich sehr zufrieden mit ihm.
82/100
Last Ward 2007/2017
Habitation Velier, 59%,
Wie bei Velier üblich haben wir es hier mit 10 Jahren tropischer Reifung zu tun.
NASE: Ordentlich Klebstoff und Alkohol zu Beginn, die eine ganze Weile brauchen, um zu verfliegen (leider nicht komplett). Dann ist eine würzige Note dominant, die ich anfangs nicht fassen konnte, obwohl sie mir sehr bekannt vorkam. Marius von SCR hat es mit Amaretti, also diesen kleinen italienischen Schaum-Keksen aus Mandeln, beschrieben. Und ja, genau danach hatte ich eine Weile in meinem Kopf gesucht. Weiter habe ich noch Kaffee, Vanille und Orangenschale. Bis auf den Klebstoff und den Alkohol eine sehr schöne Nase.

GAUMEN: Viel Eiche mit ordentlich Würzigkeit und richtig Druck im Mund, der leider teilweise etwas unangenehm ist.

ABGANG: Beginnt mit Orangenschale und wird zunehmend bitterer mit Kaffe und angebranntem Toast.

KOMMENTAR: Mir eine Spur zu würzig und bitter, um so richtig durchzustarten für mich. Auch der Alkohol ist hier nicht wirklich schön integriert.
85/100
Mount Gay 2000/2013
Isla del Ron, 61,6%,
Kommen wir nun zum berühtem Jahrgang 2000, der so wie man liest der einzige ist, der an unabhängige Abfüller verkauft wurde in jüngster Vergangenheit. Velier mit 2007 und 2009 zähle ich hier nicht unbedingt dazu, da Velier eine Sonderrolle innerhalb der unabhängigen Abfüller spielt.
NASE: Sehr weich und cremig. Vanille, Marzipan, Quitengelee, Banane, Zitrus und florale Eindrücke. Den Holzeinfluss empfinde ich als eher gering. Die 62% sind nicht wirklich wahrnehmbar.

GAUMEN: Deutlich mehr Säure als die Nase vermuten ließ. Dennoch bleibt ein cremiges Mundgefühl mit süßem Marzipan.

ABGANG: Cremig und süß-sauer mit Anis und anderen "hellen" Gewürzen. Eine leicht Kaffee-Bitterkeit kommt dazu.

KOMMENTAR: Haut mich persönlich jetzt nicht so aus den Socken. Der Alkohol ist aber echt gefährlich-gut eingebunden.
82/100
Mount Gay 2000/2018
Kintra, 55,6%,
Es geht weiter mit dem Jahrgang 2000. Dieser hier traf in der Rum-Szene durchaus auf Begeisterung.
NASE: Deutlich reifer als der Vorgänger, was nach 5-6 Jahren mehr im Fass auch so sein sollte. Mehr Würze und Gewürze wie Anis, Pfeffer, Nelken Koriandersamen. Dazu weiterhin Vanille und eine cremige und fruchtige (Quittengelee, Banane, Zitrus) Marzipan-Note.

GAUMEN: Sehr würzig mit ordentlich Röstaromen wie etwa Kaffee. Der Grundcharakter "süß-sauer-cremig" bleibt aber dennoch erhalten.

ABGANG: Cremiges und öliges Mundgefühl. Schönes Zusammenspiel zwischen süß, sauer und würzig.

KOMMENTAR: Sehr schöner gereifter und ausbalanzierter Rum.
87/100
Mount Gay 2000/2019
The Rum Cask, 55,1%,
.
NASE: Nochmal würziger als der Kintra. Amaretti, Kaffee, angebranntes Toast, Gewürze (Anis, Nelken, Koriandersamen, Pfeffer). Dazu Vanille und Karamell. Kaum bis keine Fruchtigkeit.

GAUMEN: Kräftig und intensiv. Stark würzig.

ABGANG: Röstaromen wie Kaffee und angebranntes Toast dominieren hier für mich. Mir teilweise etwas zu bitter.

KOMMENTAR: Nochmal deutlich würziger und fasslastiger als der Kintra. Mir leider tendenziell eine Spur zu viele Bitterstoffe und Gewürze.
86/100
Ich muss gestehen, dass mich keine Abfüllung dieses Posts so wirklich begeistert hat und ich das Gefühl habe unbedingt eine Flasche davon zu wollen. Irgendwas an der Art der Würzigkeit, die alle nicht-offiziellen haben (zu einem gewissen Grad sehr ähnlich), trifft nicht meinen Geschmack. Das nimmt noch keine dramatischen Züge an - mir schmeckten alle und ich musste mir keinen reinquälen - aber die magische 90-Punkte-Marke sehe ich für mich bei allen in weiter Ferne.