Mittwoch, 21. Oktober 2020

Flensburg Rum Company Guyana KFM 1991

Heute gibt es mal wieder ein einzelnes Review, denn ich habe ansonsten keine direkt vergleichbaren Samples in meinem Schrank und da der KFM gerade in vieler Munde ist und heiss diskutiert wird, ist ein zeitnahes Review hier auf dem Blog vermutlich interessanter als ein großes Vergleichstasting irgendwann in der Zukunft. Dennoch möchte ich den KFM nicht alleine im Glas haben und schenke mir den berühmten REV 1994 von Rum Artesanal ein - ebenfalls in der Versailles Still bei Enmore gebrannt. Ein separater Post mit mehreren Versailles aus Anfang der 1990er ist in Vorbereitung und wird nachgereicht ;-)

Auf die heutige Abfüllung will ich hier - wie üblich - gar nicht groß in der Theorie eingehen, sondern nur kurz umreißen. Das Mark KFM steht für “Kenneth Francis McKenzie” und ist ein alter Stil des Lusignan Estates, der bei Enmore mit der Versailles Still (einfache, hölzerne Pot Still) nachgeahmt wurde und bisher nur in ganz wenigen Abfüllungen erschienen ist. 1991 (Cadenhead’s und jetzt Flensburg Rum Company) und 2002 (Rum Nation) scheinen die einzigen bekannten Batches zu sein.

Der KFM ist mal wieder ein Rum, der die Nerd-Szene spaltet, was dessen Bewertung angeht. So wie etwa der berühmte Velier Caroni 1994 23 yo (gelbes Etikett). Bei all den unterschiedlich ausfallenden Bewertungen will ich aber noch anmerken, dass es - neben persönlichen geschmacklichen Abneigungen und Vorlieben - aus meiner Sicht zwei grobe Richtungen von Genießern gibt: Die Schnüffler, denen das Bouquet am wichtigsten ist und eben auch mit einer größeren Gewichtung in die Bewertung eingeht (oder zumindest könnte). Und auf der anderen Seite die “Trinker”, denen das Mundgefühl und die Aromen, die beim Trinken wahrgenommen werden, am wichtigsten sind. Ich zähle mich definitiv zu den Schnüfflern, das dürfte regelmäßigen Leser dieses Blogs bereits bekannt sein. Denn: Riechen kann ich bei entsprechender Aromenpower mehrere Stunden an einem Glas, wohingegen das eigentliche Trinken auf wenigen Schlücke begrenzt ist. Und gerade Gerüche haben eine große Wirkung auf unser Gehirn und unsere Erinnerungen. Das kennt denke ich jeder, dass bei bestimmten Gerüchen Erinnerungen aus seiner Kindheit oder anderer Situationen hochkommen. Ich will damit jetzt nicht sagen, dass mich jeder Rum an meine Kindheit erinnert ;-), aber das Thema an sich finde ich richtig spannend. Das nur so am Rande. So, jetzt aber mal los...
Enmore/Versailles "KFM" 1991 29 Jahre
Flensburg Rum Company, 45,4%,
NASE: Schon nach kurzer Standzeit hat sich das Bouquet geöffnet und es strömen allerhand dunkler und schwerer Aromen aus dem Glas. Kaffee, Kakao, Schwarztee, Trockenobst aller Art (aber nicht fruchtig-süß, sondern eher herb-ledrig), Bleistiftspäne, Backgewürze, Leder und auch etwas Gummi, Teer und Mentholcreme im Hintergrund. Die Nase kommt sehr wuchtig rüber und es wird deutlich, dass wir es hier mit einer fasslastigen Abfüllung zu tun haben ;-) Mir gefällt das Bouquet richtig gut! Alles, was man von einem alten Demerara-Rum erwarten kann. Ich schwenke rüber zum Rum Artesanal REV: Auch eine richtig geile Nase! Der REV ist deutlich fruchtiger, etwas saurer und hat weniger Tannine. Beim REV bekomme ich getrockene Pflaumen/Aprikosen und Pflaumenmarmelade als Kernunterschied. Beide Abfüllungen sind in dieser Displizin deutlich unterschiedlich, aber beide auf richtig hohem Niveau; da fällt es mir schwer einen Favoriten zu wählen.

GAUMEN: Hier zeigen sich sofort deutlich Tannine und leicht säuerliche Noten. Viel Bleistiftspäne, dunkle Schokolade, Schwarztee und etwas Menthol. Ich muss gestehen, dass ich ihn am Gaumen etwas weniger bitter wahrgenommen hatte, als ich ihn das erste Mal auf die schnelle als Mini-Dram probiert hatte. Der niedrige Alkoholgehalt (natürliche Fasstärke) macht sich nicht negativ bemerkbar, obwohl es da natürlich an dieser Stelle Luft nach oben gäbe, ganz klar. Und beim REV: Andere Liga. Der kommt mit seiner herrlichen, fruchtigen Pflaumennote um die Ecke gebraust und lässt den KFM im Regen stehen.

ABGANG: Wie zu erwarten war, ziehen die Tannine weiter an. Dunkle Schokolade, Espresso, Schwarztee, Bleistifte, Gewürze und wieder einen Hauch Gummi und Mentholcreme. Ich muss aber sagen, dass mir die bitteren Tannine im Abgang wieder besser gefallen. Es bleibt ein recht schönes Mundgefühl und Aromenmix im gesamten Mundraum sehr lange hängen. Beim REV lässt die Pflaumen-Melasse-Kombi den KFM wieder hinter sich.

KOMMENTAR: Ich muss gestehen, dass mir der KFM - obwohl ich teilweise schon in diversen Facebook-Kommentaren rumgegröhlt habe, dass ich ihn richtig gut finde - nicht mehr ganz so gut gefällt, wie beim Erst-Kontakt. Ich schlüssle meine Bewertung ansonsten nicht weiter auf; heute mache ich es aber mal, da dieser Rum echt schwierig zu bewerten ist. Nase: 94/100, Gaumen: 79/100, Abgang: 88/100. Macht - bei größerer Gewichtung der Nase - insgesamt 89/100. Für Schnüffler ist der am Ende trotzdem noch richtig gut, für "Trinker", die mit deutlichen Bitternoten ihre Probleme haben, wird der schon echt grenzwertig teilweise.
89/100
In der Gesamtperformance hatte der KFM mit dem REV einen zu mächtigen Gegner, der in allen Disziplinen abgeliefert hat. Als Ausfall würde ich den KFM aber noch lange nicht bezeichnen. Dafür ist die Nase einfach zu fett und auch der Abgang ist schön. Über die 90er-Marke schafft er es dann bei mir aber doch nicht, weil hierfür einfach keiner der drei Teile (Nase, Gaumen und Abgang) deutliche Kritikpunkte haben darf.