Donnerstag, 10. Oktober 2019

6 Singe-Cask-Abfüllungen von Rum Artesanal


Zur Transparenz: Die Samples des heutigen Posts wurden mir von der "Heinz Eggert Spirituosenmanufaktur" durch Dominik Marwede kostenfrei zur Verfügung gestellt. Es wurde aber seitens des Sponsors ausdrücklich darum gebeten frei meine eigene Meinung zu schreiben. Das werde ich hier auch tun. Es gab keinerlei Vorgaben. Hier der Link zu Rum Artesanal.

Heute gehts mal quer durch viele Stile und Länder. Sowas hat auch seinen ganz eigenen Reiz. Und das besondere: Bei den meisten Destillerien bzw. teilweilse sogar Ländern kenne ich mich noch nicht besonders gut aus. Es wird also spannend...

Australien "Secret Distillery" 2007/2019 12 Jahre, Rum Artesanal, 50.4%

Australien verbinde ich jetzt nicht unbedingt mit Rum. Was ich bisher so an Reviews zu den Rums von dort gelesen habe, ist auch klar warum.
Kleine Vorgeschichte: Ich habe am Abend auf dem Balkon Schuhe imprägniert. Als ich mir später diesen hier einschenke, kommt meine Frau ins Wohnzimmer und sagt: "Kannst du überhaupt was riechen? Hier stinkt doch alles nach dem Schuhzeug!" Es war nicht das Imprägniermittel, was sie gerochen hat ;-) Die Aromen, die hier aus dem Glas kommen, sind echt "witzig", so blöd es sich auch anhört. Grob gesagt ist es in der High-Ester-Kategorie anzuordnen, irgendwie. Was ich zuerst gerochen habe, waren "Elektrogeräte". Ich arbeite in einer Firma, in der u.a. Platinen gelötet werden und viele (teilweise alte) Computer u.ä. rumstehen. Das ist genau dieser "Elektro"-Geruch, den ich hier habe. Dazu Wachs-Imprägnierspray mit Honig, Lösungsmittel, Tomatengrün und eine schwere Fruchtigkeit. Ich mag das!! Und es besteht keinerlei Verwechslungsgefahr mit Jamaika oder Fiji. Das hier ist was eigenständiges. Im Mund wird es zunehmend fruchtiger, aber so richtig exotisch. Dazu Mandeln, in die Orangen-Marzipanrichtung gehend, süßes Gebäck. Wow! Der kurze mittel-lange Abgang bringt nochmal Honig mit und ist hier das unspektakulärste des Rums.

Kommentar: Ein toller Rum! Ein verrückter und wilder Ritt! Auf jeden Fall Nichts, um einen Alltags-Abend gemütlich ausklingen zu lassen. Hierauf muss man Bock haben. Für ca. 40€ pro halben Liter kann ich den nur jedem empfehlen, der auf High-Ester und freakige Rums steht. 85 Punkte

Grenada - Westerhall 1993/2019 25 Jahre, Rum Artesanal, 61.1%

Grenada ist eine kleine Insel in der Mitte zwischen Martinique, St. Lucia und Trinidad & Tobago. Westerhall spielt in der Rum-Nerd-Szene bislang auch keine allzu große Rolle. Was ich hier heute im Glas habe, ist ein Melasse-Rum, der auf Column-Stills gebrannt wurde. Ich vermute hier eher einen "spanischen" Stil. Aber lassen wir uns überraschen... Zu Anfang ist die Nase sehr verschlossen, was bei dem recht hohen Alter und der Faßstärke auch kein Wunder ist. Ein paar kleine Tröpfchen Wasser und eine gute halbe Stunde später zeigt sich eine runde und angenehme Nase. "Spanischer" Stil trifft es sehr gut. Eher leicht und mild und durch die lange Reifezeit gesetzt und durchaus edel. Vanille, Karamell, Kokos, Rosinen, etwas Haselnüsse, etwas Klebstoff und Eichenwürze. Sehr klassisch und das was sehr viele Leute mit Rum verbinden. Im Mund geht das genauso weiter. Viel Karamell, Kokos und Rosinen. Die Faßstärke gibt dem Ganzen den nötigen Schub. Der Abgang ist  mittel-lang, leicht bitter werdend durch die Eiche und hintenraus honigsüß mit Orangenschale.

Kommentar: Trifft meinen persönlichen Geschmack nicht, da ich nicht auf milde und leichte Rums stehe, aber ansonsten ist an dieser Abfüllung nichts auszusetzen. Es ist ein ordentlich gereifter, milder Rum im "spanischen" Stil mit allem, was diesen Stil ausmacht. Außer Zucker, Farbstoff, falschen Altersangaben und Wasser in diesem Fall natürlich ;-) 80 Punkte




El Salvador "Secret Distillery" 2008/2019 10 Jahre, Rum Artesanal, 46.3%

Hier handelt es sich wieder um einen Column-Still-Rum des "spanischen" Stils. Und da es, meines Wissens, in El Salvador nur eine Destillerie gibt (Cihuatán), müsste es auch diese hier sein. Was mich wundert ist der niedrige Alkoholgehalt für 10 Jahre. Selbst in europäischem Klima sollte der nach dieser Zeit eigentlich bei mind.  55% sein. Anscheinend wurde hier vor der Faßbefüllung recht stark verdünnt. In der jungen Nase Karamell, Erdnüsse, Vanille, Kokos und Klebstoff. Erinnert zuerst an einen Bourbon irgendwie. Die Kombination aus Erdnüssen und Klebstoff mag ich ;-)
Im Mund dann recht wässrig mit den üblichen Verdächtigen Vanille, Karamell und Kokos. Der Abgang wird dann wieder intensiver mit Honig und ordentlich Kokos. Sehr cremig und angenehm.

Kommentar: Kein spektakulärer Überflieger, das ist klar, aber für  30-35€ kann man auch nicht meckern in der heutigen Zeit. Wer auf Erdnüsse, Klebstoff, Karamell und Kokos steht und dabei nicht immer nur 60%+ braucht, könnte hieran Gefallen finden.
82 Punkte

Jamaika - "Trelawny Double Cask" 1998/2000 - 2019 19 Jahre, Rum Artesanal, 51.9%

Hier wurden Reste eines Fasses Long Pond (2000) und eines Fasses Hampden (1998) ca. 50:50 miteinander geblendet. Laut BAT wurde 2000 bei Long Pond ein Wedderburn-Mark hergestellt und 1998 bei Hampden HLCF und <H>. Der ersten Nase nach, muss es bei dem Hampden-Anteil das Mark <H> sein. Hier sind schon ordentlich "Hampden"-Gene drinnen. Überreife, gegrillte Anananas und Mango, ein cremiger, mandeliger Unterton. Dazu "warme" Lösungsmittel. Irgendwas riecht an den Lösungsmitteln aber anders, nicht nach Hampden. Das muss demnach der eher Ester-schwache (auf Jamaika bezogen) Long-Pond-Anteil sein. Ich bin leider noch nicht richtig sattelfest was Long Pong betrifft (hatte tatsächlich erst 4 im Glas), daher fällt es mir hier schwer den Blend richtig auseinanderzunehmen. Im Hintergrund cremig-zarte Vanille. Nach einer Weile des Riechens kommen teilweise deftige, fettige und würzige Noten dazu. Ein hypnotisierender Aromamix zum Reinlegen! Was aber auffällt, ist die eher zurückhaltende Eiche. Die Fässer dürften nicht die aller aktivsten gewesen sein. Aber das schöne ist ja, dass gerade Hampden keine große Reife braucht, um hervorragend zu sein. Im Mund habe ich zuerst ein für Hampden ungewohntes Gefühl. Ich kann es nicht gut beschreiben, aber es muss hier wieder vom Long Pond kommen. Irgendwie buttrig, leicht "tranig" und schwer. Es ist nicht ganz so cremig und süß wie gewohnt. Diese Note wird am Anfang des Abgangs ganz kurz nochmal stärker und dann rollt Hampden von hinten an und übernommt von da an. Ananas, Lösungsmittel. Cremig, süß mit leicher Eichenwürze.

Kommentar: Ich liebe einfach High-Ester-Rums, speziell aus Jamaika und speziell von Hampden. Und Long Pond arbeitet sich zur Zeit langsam aber sicher nach vorne bei mir. Diese Abfüllung ist klasse und weil es "nur" ein Blend ist, ist der Preis auch sehr human.
87 Punkte

Guyana - Uitvlugt (PM) 1993/2019 25 Jahre, Rum Artesanal, 52.1%

Rums aus Guyana sind sehr verwirrend. Ich kann dazu nur diesen Artikel von BAM empfehlen. In Kürze für diese Abfüllung: PM steht für Port Mourant, eine Destillerie, die Mitte des 20. Jahrhunderts geschlossen wurde; ihre hölzerne Pot Still in die Destillerie Uitvlugt verlegt wurde, damit dort dieser Stil weiterproduziert werden konnte. Als dann 2000 auch Uitvlugt (oh Mann dieses Wort!) geschlossen wurde, kam die Port-Mourant-Still in die letzte verbleibende Destillerie "Diamond". Da diese Abfüllung 1993 destilliert wurde, steht Uitvl... auf dem Etikett. Und eben mit dem kürzel PM. Jetzt aber los. In der Nase habe ich Grapefruit, Orangensaft, saure Äpfel, Anis, Fenchel, Vanille, leicht florale Note. Der Grundcharakter ist leicht säuerlich, aber auch süß und cremig. Obwohl wenig Eiche zu spüren ist, wirkt er recht gesetzt und gereift. Gefällt mir sehr gut bis jetzt. Im Mund wird es zunehmend saurer und auch die Gewürze spielen mehr auf. Dazu ein leicht prickelndes Mundgefühl. Der Abgang wird wieder cremiger. Sehr sogar. Süße Vanille mit Orangen. Mandeln. Sehr lecker.

Kommentar: Ich bin überrascht! Port Mourant hatte mir bis heute nicht so geschmeckt. Säure und Kräuter sind nicht so mein Beuteschema. Aber dieser hier ist sehr lecker. Vermutlich haben hier die 25 Jahre nicht gerade geschadet ;-) Dieses nussig-cremige und fruchtig-süß-saure hat es für mich gemacht! 89 Punkte

Madeira - Engenhos do Norte 2016/2019 3 Jahre, Rum Artesanal, 50.4%

Hier haben wir es mit einem portugiesischem Rhum Agricole zu tun, der 3 Jahre in einem first-fill Madeira-Faß auf Madeira lag. Der erste Eindruck in der Nase ist buttrig, "harzig", muffig und Weinlastig. Ich habe leicht grasige Note, etwas Lösungsmittel, Metall, "muffig-hefige" Pilze, säuerliche Töne. Das ist nicht mein Fall. Im Mund werden die grasigen agricole-typischen Noten dominanter. Dieses "harzige", muffige schwingt aber immernoch mit. Im Mund gefällt mir der aber schon besser als in der Nase. Im Abgang habe ich eine Mischung aus Agricole und Rotwein.

Kommentar: Man merkt es sicherlich schon, aber sehr viel fällt mir hier nicht ein. Ich denke, entweder man findet den toll oder mag ihn nicht. Ich gehöre zur zweiten Fraktion. 65 Punkte

Mein persönliches Ranking des heutigen Posts (in kursiv meine Überraschungen des Abends):
1 - Jamaika "Trewlany"
2 - Uitvlugt/Port Mourant
3 - Australien
4 - El Salvador
5 - Grenada, Westerhall
6 - Madeira, Engenhos do Norte